Aufrüstung und Propaganda

Junge Welt

 In Sachsen-Anhalt bereitet sich die Bundeswehr auf Kriege vor. Dafür investiert sie immer neue Millionen in die Truppenübungsplätze Altmark und Altengrabow. Der Bevölkerung macht sie die Aufrüstung mit Feiern schmackhaft; Events für Medienvertreter sollen für positive Berichte sorgen.

So hat die Bundeswehr für Mittwoch Journalisten zum jährlichen »Medientag« auf das 232 Quadratkilometer große Gelände des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) Altmark eingeladen. Sie will ihnen die »Fortschritte« beim Bau der Übungsmetropole »Schnöggersburg« präsentieren. Kriegsgegner beklagen seit Jahren die militärfreundliche Berichterstattung in der lokalen Presse. In dem rund 6,5 Quadratkilometer großen »urbanen Gefechtszentrum« an einem künstlichen Fluss mit Wohn- und Elendsviertel, Altstadt, Industriegebiet, Straßen, Brücken, Stadion, Flugplatz, U-Bahn und einem eigenen Umspannwerk sollen Bundeswehr und NATO-Truppen spätestens ab 2018 für Kampfeinsätze in Metropolen üben. Rund 140 Millionen Euro soll »Schnöggersburg« kosten. 2015 war noch von 100 Millionen die Rede.

Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall wird die Kampfstadt mit militärischem Übungsgerät ausstatten und den Soldaten den Umgang damit beibringen. Seit Jahren betreibt dieser das GÜZ, erst 2014 verlängerte die Bundeswehr ihren Vertrag mit Rheinmetall für vier Jahre, was dem Konzern 70 Millionen Euro einbringt. Außerdem darf sich das Unternehmen über weitere 24 Millionen freuen: Bis 2020 soll es für diese Summe die Übungstechnik im GÜZ modernisieren. Das lobte Rheinmetall in einer Pressemitteilung vom vergangenen Donnerstag. »Die im zweiten Quartal 2016 gebuchten Aufträge umfassen unter anderem Erweiterungen in der Software der Zentrale (…) sowie die Modernisierung des Datenkommunikationssystems«, heißt es darin.

Militärpropaganda für die Zivilgesellschaft gab es am Tag der »deutschen Einheit«. Mit eigenem Busshuttleservice kutschierte die Bundeswehr Feierwillige in ein sonst gesperrtes Terrain. Gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Colbitz präsentierte ihnen das Heer Blasmusik, Bockwurst, die Heidekönigin sowie mehrere Bürgermeister und CDU-Landtagsabgeordnete. Einige Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) »Offene Heide« protestierten mit einer Mahnwache gegen das »Event«, andere schlugen sich bis »Schnöggersburg« durch. »Die Brücken verfügen über eine ›Einsturz- und Aufbaumechanik‹, die Elektroanschlüsse sind schon in Betrieb«, sagte Mitstreiter Helmut Adolf am Dienstag gegenüber junge Welt.

Bauherr für »Schnöggersburg« ist das Land Sachsen-Anhalt. Am Parlament scheiterten die Genehmigungen für die Aufrüstung bisher nicht. Am Freitag lehnte der Landtag einen Antrag der Linksfraktion mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne sowie der AfD ab, wonach der Ausbau der Militärareale Altmark und Altengrabow gestoppt werden solle. Auch den Truppenübungsplatz Altengrabow, dessen 9.000-Hektar-Gelände sich zum Teil in Brandenburg, größtenteils aber in Sachsen-Anhalt befindet, baut die Bundeswehr für zwölf Millionen Euro aus. Im August hatte die Bundeswehr dort zwei Wochen lang mit scharfen Waffen trainiert. Zum Einsatz kamen unter anderem Panzerhaubitzen, Mörsergranaten und Kampfhubschrauber. Ursprünglich sollten auch Sprengbomben aus Tornados abgeworfen werden. Das scheiterte an technischen Mängeln.

»Es ist zu befürchten, dass Altengrabow als Bombodrom-Ersatz (Bezeichnung für den 2011 stillgelegten Truppenübungsplatz Wittstock in Brandenburg, Anm. d. Red.) ausgebaut wird«, mahnte Wulff Gallert (Die Linke) während der Landtagsdebatte. Und: »Wäre die Bundeswehr eine Verteidigungsarmee, müsste sie nicht für Einsätze im Ausland üben.« Dorothea Frederking (Bündnis 90/Grüne) rechtfertigte unterdessen den Sinneswandel ihrer Partei: »Wir müssen ja von heutigen Verhältnissen ausgehen.« Die Grünen hatten sich in den 1990er Jahren gemeinsam mit der Linke-Vorgängerin PDS für eine zivile Nutzung des Geländes in der Altmark ausgesprochen.